Siegermuni Toni «esch e liebe Cheib»
Spazieren, schamponieren und frisieren: Stier Toni geniesst ein Wellness-Programm und ist derzeit der Star im Stall von Thomas Gerber. Kein Wunder. Schliesslich ist er es, der am 2. Juli in der Arena des Innerschweizer Schwing- und Älplerfestes seinen grossen Auftritt hat.

Hin und her, auf und ab. 600 Meter lang ist die Paradestrecke von «Toni», die er einmal wöchentlich absolviert. Oben im Dagmerseller Chätzigen geniesst der beinahe schon 1000 Kilogramm schwere Holsteinstier die Aussicht aufs Uffiker-Buchser-Moos. Ein treuherziger Blick aus zwei grossen braunen Augen. Lauftraining? Für den Holsteinstier ist es «business as usual». Gemächlicher Tritt statt Galopp. Ohne Halfter und ohne Strick. Schritt für Schritt, begleitet von kräftigem Schwanzwedeln und seinem Meister Thomas Gerber.
Ein gutmütiger Joli für den siegreichen Bösen
Toni macht vor allem mit seiner Zunge auf sich aufmerksam. «Schläcke» ist angesagt. Der mächtige Bulle liebkost die Hand seines Züchters. Der Toni, er sei einfach «e liebe Cheib» sagt sein Meister und streicht dem Tier über die schwarzweiss gefleckte Flanke. «Hochanständig, ohne jegliche Flausen im Kopf und mit einem guten Gemüt bedacht.» So beschreibt Gerber die inneren Werte seines Prachtkerls, der am 2. Juli in der Dagmerseller Schwingerarena Einzug hält. 12 500 Zuschauerinnen und Zuschauer werden seinen Auftritt mitverfolgen, wenn er dem Festsieger des Innerschweizer Schwing- und Älplerfestes übergeben wird. Ob ihm der amtierende Schwingerkönig und Titelverteidiger Joel Wicki in den Stirnhaaren krauelt? Wer weiss. Einerseits stehen einige andere hoch dotierte «Böse» im Sägemehlring. Andererseits ist noch nicht klar, ob Tonis Haupt mit einem Blumenschmuck gekrönt wird. Eines ist derweil gewiss: Seine Nase wird ein goldfarbener Ring schmücken. Diesen hat sein Besitzer bereits in Auftrag gegeben.
Ein Stier, der mehrfach Schwein hat
Der Toni. Auf dem Hof von Thomas Gerber ist er der «Hahn im Korb». Neben ihm stehen 95 Milchkühe im geräumigen Freilaufstall. Am 1. Mai 2021 kam Toni hier zur Welt. Als Vertreter von Gerbers bekannter und in Züchterkreisen begehrten B-Linie reihte sich Toni in den Stammbaum seiner Urgrossmutter Bronnia, seiner Mutter Basta und seinem Halbbruder Bacon (zu Deutsch Speck) ein. Toni selbst war ursprünglich als Benom im Herdenbuch eingetragen. Das von Pastoralraumleiter Andreas Graf versprühte Weihwasser und eine Schweinevermarktungsfirma änderten dies. Bei Letzterer handelt es sich um die Siegerpreisspenderin, die Hügi AG aus Nebikon. Anton hiess einer deren Gründer, Anton dessen Nachfolger und Toni der heutige Besitzer. «Tradition verpflichtet – insbesondere im Schwingsport», sagte Beat Wandeler, Geschäftsführer der Hügi AG, der anlässlich der Munitaufe Ende September den Paten spielte. So wurde aus Benom offiziell Toni. Nicht nur mit seinem Sponsor hat der muskulöse Bulle übrigens Schwein. Im Gegensatz zu seinen Kollegen durfte er auf dem Hof von Thomas Gerber bleiben, ist hier der Herr im Stall. Dies nachdem er sich als kleines Stierkalb von seiner besten Seite präsentiert und vor eineinhalb Jahren von einer Delegation des Schwingklubs Wiggertal zum Auserwählten erkoren wurde.
Toni, Toni und nochmals Toni
«Ich bin mächtig stolz, den Siegermuni stellen zu dürfen», sagt Züchter Thomas Gerber. Mit Grund. Es kommt nur alle 45 Jahre vor, dass ein Schwingklub für ein Innerschweizerisches zum Zuge kommt. «In meiner Züchterlaufbahn ist dies deshalb ein Erlebnis, welches ich kein zweites Mal erleben darf», sagt der 45-Jährige. Der Toni, er bringe auf dem mittlerweile von drei Generationen gemeinsam geführten 50 Hektaren grossen Hof zusätzlichen Betrieb. Velofahrer und Spaziergänger bitten um eine «Audienz», die Thomas Gerber gerne gewährt, sofern er im Stall an der Arbeit ist. «In der Feuerwehr wiederum fragen meine Kameradinnen und Kameraden mehr nach dem Wohlbefinden von Toni als von mir», sagt Thomas Gerber und schmunzelt.
Ein Figaro, der zum gestiefelten Boten wird
Für Gesprächsstoff ist wegen Toni auch in der Familie gesorgt. Soll er letztlich einen Drei- oder doch Fünfmilimeterschnitt erhalten? Gerbers Sohn Levin wirkt als versierter und geübter Coiffeur. Bereits im Vorfeld sorgt der 18-jährige Bauernlehrjahrstift via Schurmaschine einmal monatlich dafür, dass Toni ein dichtes, glänzendes Fell bekommt. Schamponieren und waschen mit einem auf Massagemodus eingestellten Hochdruckreiniger ist bei diesem stierigen Wellness-Progamm inbegriffen. Wenn Levin dabei das verwendete Duschmittel nicht zurück ins Haus bringt, gibts Schelte. Insbesondere seine Schwester Lynn und seine Mutter Christine lassen ihm dies nicht durchgehen. «Levin…. ab in den Stall!», tönt es dann aus dem Badezimmer und der «Figaro » wird zum gestiefelten Boten.
Trainingseinheiten mit Motörhead und Eros Ramazotti
Waschen, legen, föhnen. Spazieren und flanieren. Das sind jene Dinge, die Toni häufiger geniessen darf als seine Damen im Stall. Zudem konnte er im letzten Frühling in die Ferien fahren, um sich im Stall eines Knutwiler Züchterkollegen an andere Leute zu gewöhnen. Schliesslich darf ihn weder Kind noch Kegel aus der Ruhe bringen. Tonis Nervenstärke trainieren unter anderem auch die Hardmetaller von Motörhead, Gitarrengott Lenny Kravitz oder Schmusesänger Eros Ramazotti. Kurzum: Das Musikprogramm von Radio Pilatus bereitet Toni zu Hause im Stall am Santenberg unter Tags auf jenen Lärmpegel vor, welcher ihn in der Dagmerseller Arena erwartet. Ruhe bewahren, seinen Stier stehen, heisst es dann für Toni. Den bislang grössten dezibelgeschwängerten «Stimmungstest» bestand Toni bereits mit Bravour. «Keine Mätzchen» hat er bei seinem zehntägigen Gastauftritt an der Luga gezeigt. «Der Stallmeister sprach von ihm in den höchsten Tönen, wollte es sich nicht nehmen lassen, ihn persönlich für die Rückfahrt nach Dagmersellen in den Transporter zu begleiten », sagt Thomas Gerber.
Kein Menu Surprise für den Star
Mittlerweile ist der Spaziergang zu Ende. Toni ist in seiner mit Stroh weich gepolsterten Box angekommen. Ausruhen? Fehlanzeige. Genüsslich beugt sich Toni über die Futterkrippe. Heu. Mais, Rapsschrot oder Biertreber: Rund 40 Kilo dieser Futtermischung und täglich an die 100 Liter Wasser verhelfen ihm zu seiner stattlichen Postur. Geniesst der Herr im Stall jeweils ein Menu Surprise? «Gegessen wird, was auch bei seinen weiblichen Stallgefährtinnen auf den Tisch kommt», sagt Thomas Gerber und lacht. Der Toni, er wisse auch so, dass er ein ganz besonderes Tier sei.
Text: Stefan Bossart, Willisauer Bote